Von Donnerkraut und guten Wünschen

8B7A7042 1 favoritSchutz- und Segensbräuche zu Mariä Himmelfahrt

Mithilfe von heilenden Kräutern schützten sich die Menschen früher gerne vor allen Widrigkeiten des Alltags. Auch gute Segenswünsche für Vieh, Haus und Ernte erfreuten sich in der ländlichen Region großer Beliebtheit. Einige dieser Bräuche haben überlebt oder wurden in jüngster Zeit wiederbelebt. Zum Beispiel das Krautstrauß-Segnen zu Mariä Himmelfahrt am 15. August.

Kruutwösch – die gebündelte Kraft der Kräuter
Spitzwegerich, Schafgarbe oder Kamille sind typische Kräuter, die man früher in jedem Bauerngarten fand. Ebenso in Klöstern verband man gerne das Schöne mit dem Nützlichen und kultivierte zahlreiche Heilpflanzen und Gewürze. Die mitunter herben Schönheiten wusste man in der Heilkunde sowie in der Küche auf mannigfache Art und Weise einzusetzen. Auch heute schätzen viele Menschen die aromatischen Kräutlein für das leibliche Wohl. Der Trend, sich auf die Kräfte der Natur und Jahrtausende alte Heilkräuter zu stützen, hat in den letzten Jahren zunehmend an Populärität gewonnen. Und so wundert es kaum, dass man im Bergischen Land, in Lindlar und Altenberg, Ende der 1990er Jahre wieder eine Schutzkrautweihe eingeführt hat. Der bunte Krautstrauß oder „Kruutwösch“ wird traditionell am 15. August zu Ehren der Gottesmutter Maria geweiht – wenn viele Pflanzen und auch das Getreide in den Feldern in vollem Saft stehen. Mindestens sieben verschiedene Pflanzen musste der traditionelle Krautbund früher enthalten: Sieben galt als heilige Zahl, neun – also drei mal drei, aber auch zwölf oder 24, 72 oder gar 99 Kräuter waren üblich.

8B7A1601 1 favoritMarienlegende
Der ehemals heidnische Brauch des Schutzkräuter-Sammelns erfuhr im 10. Jahrhundert eine Legalisierung durch die Kirche, indem man die Kraft der Kräuter und Pflanzen auf die Fürsprache Mariens zurückführte und zum „Heimgang Mariens“ feierlich segnete. Einer Legende zufolge soll die Heilige, die in alten Liedern und Gebeten oftmals als die „Blume des Feldes und die Lilie der Täler“ bezeichnet wird, in den Himmel aufgefahren sein. Denn die Apostel fanden statt ihres Leichnams im Grab nur duftende Blumen und Kräuter.

8B7A6568 1 favoritGegen Zipperlein und Blitzeinschlag
Der „Würzwisch“ unterschied sich je nach Region, Witterung und Verfügbarkeit ein wenig. Vor allem aber band man gerne Heilkräuter mit in den Strauß, die den Namen Marias tragen, so zum Beispiel das Marienblümchen oder die Mariendiestel. Noch heute wird das Marien- oder Gänseblümchen als Blutreinigungs- und Wundheilmittel, bei Rheuma sowie zum Anregen des Stoffwechsels eingesetzt. Die stachelige, aber nicht minder apart blühende Mariendistel, galt bereits in den mittelalterlichen Klostergärten als natürliches Entgiftungs- und Leberheilmittel. Sowohl bei „Zipperlein“ als auch bei Unwetter vertraute man auf die gebündelte Kraft der Kräuter. So hingen die Menschen den gesegneten Kräuterstrauß beispielsweise auf dem Dachboden zum Schutz vor Blitz und Feuer auf – ein uralter Brauch, den übrigens schon die Germanen in ähnlicher Weise kannten. Denn sie pflanzten Hauswurz, ein Dickblattgewächs, das volkstümlich auch unter dem Namen „Donnerkraut“ bekannt ist, als Blitzableiter auf ihren Hausdächern. In vielen Dörfern steckten die Landwirte den Krautbund für eine gute Ernte auf die Felder oder gaben ihn zum Schutz vor Krankheiten in den Stall hinter die Fresströge des Viehs.

12 gebräuchliche Kräuter im Bergischen Land
Für das Bergische Land haben die Kräuterexpertinnen Marianne Frielingsdorf und Monika Burgmer aus Lindlar 12 früher gebräuchliche Kräuter näher bestimmen können: Donnerkraut  (Fette Henne), Rainfarn, Wermut, Beifuß, Johanniskraut, Wasserdost, Baldrian, Eberraute, Kamille, Schafgarbe, Pfefferminze sowie Getreide. Diese dürfen im „bergischen Kruutwösch“ auf keinen Fall fehlen! Darüber hinaus kann der Kräuterstrauß heute natürlich auch alle anderen Kräuter beinhalten, die den Menschen lieb und wert sind.

8B7A2495 1Krautstrauß-Binden und -Segnen

Auf dem Gelände des Bergischen Freilichtmuseums Lindlar sammeln die beiden Kräuterfrauen am Marienfeiertag mit interessierten Besuchern viele typische Kräuter. Gemeinsam werden die Heilpflanzen zugeordnet und unter Anleitung nach alten Vorbildern zu reichhaltigen Krautsträußen gebunden. Die Museumsgäste erfahren dabei vieles über Tradition, Volksglauben und Heilwirkung der einzelnen Pflanzen. Im Anschluss ist es möglich, das Krautbündel „selbst mit guten Gedanken“ zu versehen oder im Rahmen einer Messe feierlich segnen zu lassen.

Im Klostergarten des Altenberger Doms befinden sich – ähnlich wie in den Außenanlagen des Freilichtmuseums – hauseigene Kräuterbeete, in denen der Aktionskreis Altenberg e.V. im Rahmens des Projekts „Küchenhof“ traditionelle Heilkräuter kultiviert. Die katholische Gemeinde am Altenberger Dom zieht zum Segnen des „Krautwischs“ an Mariä Himmelfahrt in den Klostergarten. Dort werden die gesammelten Kräuter der Gemeindemitglieder sowie die hauseigenen Beete mit dem Segensgebet des kirchlichen Benedictionale geweiht. Im Anschluss findet eine heilige Messe im Altenberger Dom statt.

Der Text-Beitrag ist ein Auszug aus dem Band „Bergischer Kräher, Dröppelmina und Kronenbaum“ von Margret Wehning und Ira Schneider, erschienen im Wartberg Verlag im Jahr 2010.

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Aktuelle Termine

Auch in 2017 findet im Altenberger Dom eine Kräuterweihe zu Ehren der Gottesmutter statt. Während des Hochamts  am 20. August 2017 um 9.00 Uhr werden mitgebrachte Krautsträuße gesegnet, am Nachmittag findet um 16.45 Uhr eine zusätzliche Kräutersegnung im Klostergarten mit anschließender Prozession statt. Das LVR-Freilichtmusuem Lindlar bietet auf Anfrage für Gruppen Mitte August 2017 ein Krautstraußbinden mit Wissenswertem über den bergischen Brauch an.

http://www.altenberger-dom.de/?page_id=5168

http://www.freilichtmuseum-lindlar.lvr.de/media/lvr_freilichtmuseum_lindlar/pdf_dateien/2017/Oeko-Seminare_2017-Internet_2.pdf

Veröffentlicht von

redis

Ich schreibe und fotografiere zu genussvollen Themen. Von der Foto-Reportage über Rezept-Strecken bis hin zum Kochbuch. Als Food-Journalistin setze ich Kulinarisches in Szene - in Wort und Bild.