Rheinische Ackerbohne: Gutes wiederentdeckt

Hülsenfrucht mit regionalem Charakter

Hülsenfrüchte waren früher neben Kartoffeln, Kohl und Getreide die Grundnahrungsmittel der ländlichen Bevölkerung. Als Eiweißlieferanten und Sättigungskomponente waren sie hochgeschätzt. Klassische Eintopfgerichte aus den verschiedenen Regionen Deutschlands dokumentieren die Beliebtheit von Bohnen, Erbsen und Linsen. Schon in der Eisenzeit kochten die Menschen „Ritschert“, ein Gericht aus eingeweichten Graupen, Hülsenfrüchten – meist dicken Bohnen – und geräuchertem Schweinefleisch.  

Alte Rezepte geben Aufschluss

Das Ritschert ist auch heute noch in Bayern, Österreich und Slowenien ein bekannter Eintopf, der regional unterschiedlich gewürzt, mit Kartoffeln oder Brot als Beilage auf den Tisch kommt. Im Archäologischen Pfahlbautenmuseum in Unteruhldingen am Bodensee kommen Besucher im Übrigen während einer Führung in den Genuss einer Urrezeptur, die der Zeit gemäß wenig gewürzt ist – dafür aber umso mehr den ursprünglichen Geschmack der Grundzutaten betont.

Decke Bunne

Bis in die 1970er Jahre hielt der Selbstversorgertrend an und viele Familien kultivierten in ihrem Hausgarten grüne Stangenbohnen, Strauch-/Buschbohnen und Ackerbohnen. Im Rheinland gehören bis heute neben Schnippel- oder Schneidebohnen auch „Decke Bunne“ zu den identitätsstiftenden Gerichten der Region. In den privaten Haushalten, wo allerdings immer weniger mit Grundzutaten selbst gekocht wird, findet man Gerichte mit Hülsenfrüchten nicht mehr allzu oft. Besonders das Zeit-Argument und der Billigfleisch-Boom haben Ackerbohne & Co. vom Speiseplan verschwinden lassen. „Während die Menschen um 1850 noch 20 Kilogramm Hülsenfrüchte pro Jahr und Kopf zu sich nahmen, sind es heute nur noch 0,5 Kilogramm“, weiß Landwirt und Ackerbohnen-Anbauer Karl-Adolf Kremer aus Linnich. Gemeinsam mit seiner Frau Maria und weiteren Landwirten aus der Region hat er 2017 den Verein „Rheinische Ackerbohne e.V.“ im Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW gegründet.

Verein zur Förderung der Rheinischen Ackerbohne

„Der Verein aus Landwirten, Verbänden, Institutionen und Förderern hat sich zum Ziel gesetzt, Erzeugern und Verbrauchern von den ökologischen Vorteilen der Rheinischen Ackerbohne zu überzeugen. Denn die Ackerbohne, auch als Dicke Bohne oder Saubohne bekannt, ist ein gentechnikfreier und regionaler Eiweißträger, der außerdem die biologische Vielfalt auf dem Acker fördert“, so Maria Kremer. Die Hülsenfrucht habe einen sehr hohen Wert für den regionalen Naturschutz, da sie von Mai bis Juli blüht und Bienen, Hummeln und Schmetterlingen einen tollen Lebensraum biete. Außerdem fördere die Ackerbohne, die eine Symbiose mit Knöllchenbakterien eingeht, die Bodenfruchtbarkeit.

Netzwerk entlang der Wertschöpfungskette

Rund 50 Landwirte aus ganz NRW haben sich zwischenzeitlich der in Vergessenheit geratenen Ackerfrucht, die noch bis in die 1960er Jahre als Tierfutter verwendet und sukzessive durch Importeiweiß aus Übersee verdrängt wurde, wieder angenommen. Und so findet man unter dem Dach des Vereins nicht nur Anbauer, sondern auch „Nutzer der Ackerbohne“ wie Landwirte, die Fleisch, Eier oder Milch erzeugen, Metzger und Bäcker, welche aus der Hülsenfrucht ein regionales Brot backen.

Denn die bitterstoffarme und bekömmliche Züchtung der Rheinischen Ackerbohne schmeckt Mensch und Tier gleichermaßen. „Mehrere nachhaltig geführte Bäckereien, darunter auch Slow Food-Unterstützer, haben bereits mit den Hülsenfrüchten experimentiert und vermarkten sie nun zusammen mit weiteren regionalen Zutaten wie Dinkel oder Emmer in Form eines regionalen Vollkornbrotes, das eiweißreich und glutenarm ist“, so Kremer. Die Ackerbohne hat einen Proteingehalt von 25 bis 30 Prozent, wenig Fett und reichlich Ballaststoffe. Und sie habe ein ganz spezielles Aroma, denn die sehr trocken gedroschenen Hülsenfrüchte werden für die Brotbereitung zunächst geröstet, dann geschrotet und aufgekocht. Das verleiht dem Brot eine saftig-nussige Krume.

Trend-Setter Ackerbohne

Von den Werten und Zielen des Vereins und auch von den Köstlichkeiten entlang der Wertschöpfungskette konnte sich das geladene Publikum am 29. Mai 2019 während einer Presseveranstaltung mit Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, auf dem Hof Lindenau in Linnich einen Eindruck machen. Denn der Verein setzt nicht nur in punkto nachhaltige Landwirtschaft, sondern auch im Hinblick auf achtsamen Genuss, der schmeckt, einen zukunftsweisenden Trend. Und so konnte man nicht nur mit Ackerbohnen gebackenes Brot der Bäckereien Moss aus Aachen, Hinkel aus Düsseldorf und Gilgens aus Hennef, sondern auch Eier, Wurst vom Duress-Schwein, Milch und Joghurt der Netzwerkbetriebe (diese sind Rurtal Ei aus Hückelhoven, Wurstspezialitäten Esser aus Erkelenz-Lövenich, Zipfelmilch aus Waldfeucht und Milchhof Geringhausen aus Wassenberg) probieren.

Eigenschaften wie glutenfrei, eiweißhaltig, naturbelassen, gentechnikfrei, regional, klimaschützend und umweltfreundlich werden der Ackerbohne auch nach dem Ablauf des EU-Förderprogramms weiter ihren Erfolg sichern – hofft das Netzwerk und lädt Verbraucher unter anderem mit Dicke-Bohnen-Rezepten ein, sich mal wieder Zeit zu nehmen für gute Lebensmittel aus der Region.

Weitere Informationen zum Verein, Bezugsquellen und Rezepte

www.rheinische-ackerbohne.de

Interessante Links zum Thema

Kultur(pflanzen)magazin „Heimische Hülsenfrüchte“ der UFOP

Eiweißpflanzenstrategie des Bundes