Es blubbert und gärt

Fermentiertes Superfood aus dem Einmachkeller

Fermentation ist eine uralte Methode, um Lebensmittel ohne Kochen haltbar zu machen und ihnen Geschmack zu verleihen. Ob Sauerkraut, Kimchi oder Tsukemono – viele Kulturen kennen schmackhaftes Sauergemüse. Milchsauer vergorener Weißkohl, Rettich & Co. liegen heute wieder im Trend und gelten sogar als Superfood für den Darm.

Küchentrend Fermentation

Werden Sie auch zum Fermentista! – heißt es immer öfter auf Food-Blogs und im Kochbuchmarkt. Durch die Blogger-Szene ist die neue Begeisterung für fermentiertes Gemüse aus den USA auch nach Deutschland geschwappt. Experimentierfreudige Köche, Biologen und Gärtner präsentieren und kommentieren in Blogs wie „Wilde Fermente“ oder „Schnelles Grünzeug“ mit Stolz ihre Ergebnisse. Ob traditionelle Rezepturen wie Schnibbelbohnen oder neuartige Kreationen wie Karotte mit Küstentanne – einem Ferment beim Gären zuzuschauen, kann spannender sein als ein Krimi, wenn es nach einigen Tagen anfängt ordentlich zu blubbern.

Gärgemüse mit Gesundheitsnutzen

Milchsäurebakterien sind das Geheimnis des Sauergemüses – weiß Buchautorin Katrin Thomas aus Berlin. Die Naturheilkundeberaterin und (Wild-)Kräuterfachfrau hat jüngst ein Rezeptbuch mit dem Titel „Fermentieren: Superfood für den Darm“ im Kneipp Verlag Wien herausgebracht. „Eine ganze Menge der für unsere Gesundheit so wichtigen Bakterien ist durch die industrielle Nahrungsmittelproduktion und Konservierung verloren gegangen. Beim Fermentieren, dem Gären(lassen) unter Sauerstoffausschluss, entstehen hingegen wertvolle Bakterien. Sie sorgen für die Gesundheit unseres Darms und damit für einen allgemein guten Gesundheitszustand – immerhin finden mehr als 70 Prozent unserer Immuntätigkeit im Darm statt“, sagt Katrin Thomas über ihre Motivation zu diesem Buch. Darüber hinaus seien fermentierte Produkte auch hervorragende Lieferanten von Vitaminen, Mineral- und Ballaststoffen. Einer ganzen Reihe von „ernährungsbedingten Zivilisationskrankheiten“, wie zum Beispiel Unverträglichkeiten, Karies, Arthrose, Gicht, Verstopfung, Allergien oder Neurodermitis könne mit Fermenten wirkungsvoll begegnet werden. Menschen, die mit Gallenproblemen zu kämpfen haben oder empfindlich auf Histamine reagieren, sollten allerdings mit fermentierten Produkten vorsichtig sein, so die Buchautorin.

Das Prinzip der wilden Fermentation

Als Basis für das spontane oder wilde Fermentieren von rohem Gemüse dient eine Salzlake aus einem Liter Wasser und zwei gestrichenen Esslöffeln Meersalz. Das kleingeschnittene Gemüse wird mit Gewürzen und Kräutern in Gläser eingeschichtet und mit der Lake vollständig übergossen. Alternativ kann das Gemüse geraspelt und mit einem Esslöffel Salz auf ein Kilogramm Gemüse gestampft oder geknetet werden, bis der eigene Saft austritt und es bedeckt. Sobald das Ferment nach einigen Tagen bei Zimmertemperatur „arbeitet“ und die ersten Luftblasen aufsteigen, haben Milchsäurebakterien – die von Natur aus auf dem Gemüse sitzen – den Zucker in Kohl & Co. in Milchsäure umgewandelt. Schon nach drei bis fünf Tagen sind die fermentierten Köstlichkeiten verzehrfertig.

Fermentieren bereitet Freude und ist kreativ

„Fermentieren macht Spaß und ermöglicht einen neuen und eigenständigen Zugang zu Lebensmitteln. Da im Handel erhältliche Fermente wie Sauerkraut oder saure Gurken zusätzlich konserviert oder erhitzt wurden, sind darin keine lebenden Milchsäurebakterien mehr enthalten. Schon aus diesem Grund heißt das Motto: Selber machen!“, rät Katrin Thomas. Da Zutatenbeschaffenheit und Umgebungstemperatur nie gleich sind, läuft jede Gärung etwas anders. Fermentieren ist daher ein kreativer Prozess, der das Selbermachen immer wieder spannend gestaltet. Ein weiterer Vorteil: Die fermentierten Köstlichkeiten im Glas sind nicht nur schnell angesetzt und gesund, sondern auch als Pausensnack fürs Büro tauglich – findet die Autorin.

Gemeinsames Sauerkrautstampfen im Bergischen Land

Selbermachen und natürlichen Geschmack durch alte Konservierungstechniken bewahren, zählt auch zur Philosophie der Slow Food-Bewegung. Im Bergischen Land lädt die Regionalgruppe von Slow Food Deutschland schon seit einigen Jahren im Oktober zum Sauerkrautstampfen ein. „Wir zelebrieren das Einmachen als Gruppen-Veranstaltung. Große und kleine Helfer raspeln und stampfen an einem Samstagvormittag was das Zeug hält. Rund 200 Kilogramm Weißkohl legen wir in große Steintöpfe ein. Mit einer gemeinsamen Mahlzeit schließen wir das Event gebührend ab und freuen uns schon wieder aufs neue Kraut. Das schmeckt natürlich anders und viel besser als gekauftes. Denn eine milde Weißkohlsorte von einem Biobauern vom Vorgebirge, das handwerkliche Stampfen, Tontöpfe statt Chromsilos und das individuelle Bakterienklima machen unser Kraut so einzigartig“, so Bernward Geier vom Slow Food Convivium Bergisches Land.

Powerkraut: Vitamin C für den Wintervorrat

Mindestens sechs Wochen muss der Weißkohl im Steintopf gären, bevor er zum Sauerkraut und Vitamin-C-Lieferanten für den Wintervorrat wird. Da das Fermentieren in den letzten Jahren stetig an Beliebtheit gewonnen hat und man mit dem Einmachen dem Verfall von wertvollen Lebensmitteln entgegenwirken kann, hat die Slow Food-Vereinigung sogar einen Ratgeber mit Rezepten zum Fermentieren aufgelegt.

Slow Food-Broschüre „Fermentieren“ (nur online als Download erhältlich)

http://www.slowfood.de/publikationen/broschueren

Links

www.wildkrauter-berlin.de

www.wildefermente.de

www.schnelles-gruenzeug.de

www.slowfood.de/bergischesland

Dieser Beitrag ist in Ausgabe 03/2017 des Magazins „informiert!“ der Bergischen Krankenkasse erschienen.