Senf: Wärmende Würzpaste mit Geschichte

Senf kreativ genießen

Seit Jahrtausenden ist Senf als Würz- und Heilmittel beliebt. Die Einsatzbereiche der aromatischen Paste sind vielfältig – genau wie ihre Rezepturen. Ob extra scharf, körnig oder mit Honig und Mohn – neben dem gängigen Supermarktangebot bieten kleine Senfmanufakturen kreative Geschmackserlebnisse. Und auch Selbermachen liegt im Trend.

Wohl älteste und facettenreichste Würzpaste der Welt

Viele von uns kennen ihn als Tafelsenf aus der Tube. Er passt als herzhafter Begleiter zu Fleisch, Grillwürstchen, Käse und vielem mehr. Kaum jemand weiß jedoch, dass Senf schon im alten China und Ägypten oder später in der Römerzeit ein hoch geschätztes Gewürz darstellte. Bis ins 13. Jahrhundert nach Christus war Senf neben Meerrettich sogar das einzige scharfe Würzmittel, welches die europäischen Küchen überhaupt kannten. Als angerührte Paste wurde er schon früh als Fertigprodukt für den Hausgebrauch vertrieben, denn erst durch das Zerstoßen der Senfsamen und Mischen mit Essig oder Most (daher auch der Name Mostert für Senf) entwickelt Senf sein volles Aroma und auch seine Wirkung. „Durch das Mahlen der Senfsamen werden die Isothiocyanate aus den Senfölglukosiden freigesetzt – frei. Der Aglukonrest dieser ätherischen Öle ist für die sensorische und physiologische Wirkung entscheidend. Auch in anderen Kreuzblütengewächsen wie verschiedenen Kohlsorten sind die sekundären Pflanzenstoffe – die per se nicht scharf sind, vorhanden“, so Diplom-Ökotrophologin Heike Langner aus Bonn.

Mild, scharf oder lieblich

Mittelscharfer Senf wird überwiegend aus den milderen, gelben Senfsaaten hergestellt. Ein geringer Zusatz an braunen Senfkörnern gibt hier den Pepp. Scharfe Sorten gewinnt man ausschließlich aus braunen oder schwarzen Senfkörnern, die das kräftige Allyl-Senföl enthalten. Süßer Senf, so wie ihn die Bayern schätzen, entsteht aus gelben und braunen-Senfsaaten, die nur grob gemahlen werden. Die Zugabe von Zucker und das heiße Einmaischen geben ihm eine liebliche Note. „Die Senföle, speziell die hochaktiven Isocyanate des Senfs, haben – innerlich wie äußerlich angewendet – antibiotische und durchblutungsanregende Wirkung“, weiß Heike Langner. Darüber hinaus wirkt der Senf auch apptitanregend – weswegen früher besonders gerne Köche im wahrsten Sinne des Wortes „ihren Senf“ dazugaben.

Senff reiniget das Hirn/erwärmet den Magen/fürdert die Verdauung/erweckt die Natur zur Liebe/und vertreibt das Fieber mit Wein getruncken.

Adam Lonitzer (1528-1586), genannt Lonicerus, Frankfurter Stadtphysikus, Naturforscher, Arzt und Apotheker

Schmeckt gut – tut gut

Für die Ökotrophologin ist Senf ein Nahrungsmittel, welches sie gerne auch ihren Kunden in der Beratung empfiehlt: „Eine Ernährung, die uns gesund erhält, ist vielfältig und abwechslungsreich. Wir können unser Bewusstsein für die Lebensmittelvielfalt schärfen, insbesondere dann, wenn wir uns trauen – Senf einmal selbst herzustellen“, so Langner. Jetzt in der kalten Jahreszeit bereitet Heike Langner, die in Bonn die Praxis „kostbahr RheinAhr für ganzheitliche Ernährungsberatung und -therapie“ leitet, besonders gerne Apfelsenf zu. „Ein klein pürierter Apfel als Geschmacksbeigabe im Senf passt hervorragend zu Kartoffelsalat, Kasseler mit Grünkohl oder auch zum Lachs“, schwärmt die Ernährungsexpertin. Da beim Senf-Selbermachen der Fantasie keine Grenzen gesetzt sind, lässt sich ihr Senf-Basis-Rezept aus zerstoßener Senfsaat oder Senfmehl mit Essig oder Wein und Gewürzen mit Feigen, Birnen, Walnüssen oder Zwiebeln immer wieder neu erfinden. Die sekundären Pflanzenstoffe, die die Senfpflanze schützen, tun auch uns Menschen gut – sagt sie.

Senfwickel und -pflaster

Eine äußerliche Anwendung von Senf in Form von Senfwickeln oder Pflastern ist ein altes Rezept bei Atemwegserkrankungen oder rheumatischen Beschwerden – es sei aber, so Heike Langner, mit einiger Vorsicht zu genießen: „Gängig in der Heilkunde ist das Mahlen von schwarzem Senf, der mit lauwarmem Wasser zu einem Brei vermischt und für 15 bis 30 Minuten auf die Brust kommt. Da die Paste stark hautreizend wirken kann, sollte man sich langsam herantasten. Auf Senf-Wickel bei Kindern sollte man verzichten“, so Langner. Nur wenn die Anwendung – und das sei individuell bei Erwachsenen unterschiedlich – wirklich Linderung bringe und gut tue, solle man sie weiter verfolgen.

Gaumenkitzel Senf in der Region

Bereits 1726 stellte Theodor Esser in Düsseldorf den ersten deutschen Mostert her. Mit der Würzpaste aus den scharfen, braunen Senfkörnern legte er den Grundstein für die erste Senffabrik Deutschlands. Der „aechte Düssseldorfer Mosterd“ im grauen Steinguttopf mit den Initialen „ABB“ des späteren Firmeninhabers Adam Bernhard Bergrath ist Senfliebhabern noch heute ein Begriff. Dass man es in der Rheinmetopole scharf mag, beweist der außergewöhnlich scharfe „Löwensenf Extra“ nach einer Rezeptur von 1920. Er war der erste deutsche Senf, nach dem Dijon-Verfahren hergestellt wird. Seine hellgelbe Farbe und den intensiven Geschmack verdankt er einem aufwändigen Prozedere, bei dem die dunklen Schalen der braunen Senfsaaten nach dem Zermahlen abgesiebt werden. Da der geschrotete Senf nicht entölt wird, enthält er einen besonders hohen Anteil an Allyl-Senföl. Auch die historische Senfmühle in Monschau, in der Familie Breuer seit 1882 Senf-Spezialitäten herstellt, hat Geschichte geschrieben. Hier finden Feinschmecker unter anderem die „Monschauer Senfpraline“, welche mit einem aromatischen Orangensenf abgestimmt wird und der Süßigkeit einen Hauch von Schärfe verleiht. Eine Produktionsstätte mit Renommee die alte Senfmühle in Erkelenz, wo Familie Terhorst seit 1929 ihren „Echten Terhorster Mostert“ fertigt. Mit drei Steinmahlgängen ist die Mühle die größte alte Senfmühle Deutschlands und heute – genau wie die Monschauer Senfmühle – Manufaktur und Museum.

Senf-Führungen

Wer den Einheitsgeschmack aus dem Supermarkt leid ist, kann sich hier durch die Region probieren und an Senf-Führungen teilnehmen:

www.duesseldorfer-senfladen.de (Düsseldorfer Senfmuseum und -laden der Düsseldorfer Löwensenf GmbH)

www.senfmuehle.net (Historische Senfmühlen Anno 1810 Cochem & Köln)

www.senfmuehle.de (Historische Senfmühle Monschau)

www.terhorst-gewuerze.de (Alte Senfmühle Erkelenz)

Wo Senf nach mehr schmeckt

Viele Gerichte erhalten durch das Würzen mit Senf eine besondere Note. Heike Langner und Ira Schneider haben für Sie einige Rezept-Tipps für die kalte Jahreszeit zusammengestellt und verraten ein Basis-Rezept zum Selber-Herstellen.

Senf-Basis-Rezept

Zutaten für 1 Glas

250 g gemahlene Senfsamen oder Senfpulver, erhältlich in Reformhäusern oder im Fachhandel

50 g Zucker oder Honig

200 ml Wasser

150 ml Weinessig, 5 % Säure

15 g Salz

Zubereitung

Wasser und Weinessig aufkochen und abkühlen lassen. Die Flüssigkeit lauwarm über die anderen Zutaten gießen und pürieren, sodass ein Brei entsteht. In ein sauberes Schraubglas abfüllen und gekühlt aufbewahren. Der Senf hält sich – je nach Zutaten – mehrere Wochen.

Tipp

Für den Apfelsenf einen pürierten Apfel als Flüssigkeit mit einrechnen. Den Senf nicht zu lange pürieren, da er sonst zu warm wird und an Aroma verliert!

Warmer Kartoffelsalat mit Apfelsenf

Zutaten für 4 Personen

600 g festkochende Kartoffeln

1 feinsäuerlicher Apfel

1 kleines Glas Gürkchen

1 Zwiebel

3 EL Kräuter- oder Weinessig

3 EL Öl

1 kleine Tasse heiße Brühe

2 TL Apfelsenf

Salz, Pfeffer, frische gehackte Kräuter

Radieschen geputzt und auf Viertel geschnitten

Zubereitung

Kartoffeln kochen und pellen. Noch warm auf Scheiben schneiden. Die Zwiebelwürfel in einer Pfanne auslassen und die heiße Brühe, den Essig und das Öl (mit dem Senf verrührt) zugeben. Dann die Marinade über die Kartoffelscheiben geben und gut durchmengen. Äpfel schälen, entkernen und auf kleine Würfel schneiden. Gürkchen abropfen lassen und ebenso auf Würfel schneiden. Den Kartoffelsalat mit Salz, Pfeffer und frischen gehackten Kräutern und Radieschen-Vierteln abschmecken.

Senfrostbraten – ein Rezept aus „Niederrheinische Küchenklassier – Kappes, Krutt und Kernpapp“ von Ira Schneider (Wartberg Verlag)

Zutaten für 4 Personen

4 Rindersteaks (aus dem Rücken geschnitten)

2 Zwiebeln

1 EL Mehl

4 EL scharfer Senf

4 EL Öl

100 ml süße Sahne

Zubereitung

Die Zwiebeln schälen und fein hacken. Die Steaks klopfen, mit Salz und Pfeffer würzen. Die gehackten Zwiebeln mit dem Senf vermengen und die Steaks auf der Oberseite damit bestreichen und mit etwas Mehl abstäuben.

Die Steaks mit der bestrichenen Seite in eine Pfanne mit heißem Fett geben und kräftig anbraten. Anschließend wenden und – je nach Dicke gute vier bis sechs Minuten weiter braten lassen.

Das Fleisch aus der Pfanne herausnehmen und einen Esslöffel Senf in den Bratsud geben. Mit Sahne ablöschen und etwas einreduzieren lassen. Mit Salz und Pfeffer abschmecken und den Rostbraten mit der Sauce servieren.

Dieser Beitrag ist im Magazin „Informiert!“ – Ausgabe 4/2016 der Bergischen Krankenkasse erschienen.